Ein denkmalgeschütztes Haus zu besitzen klingt nach Prestige - doch wer schon einmal versucht hat, eine neue Fensterbank einzubauen oder eine Wärmedämmung anzubringen, weiß: Es ist kein Privileg, sondern eine lange Liste von Verboten. Viele Eigentümer kommen an einen Punkt, an dem sie sich fragen: Denkmalschutzbefreiung beantragen - lohnt sich das?
Was bedeutet Denkmalschutzbefreiung wirklich?
Denkmalschutzbefreiung ist kein einfacher Antrag, den man mal eben einreicht. Es ist der formale Prozess, bei dem ein Eigentümer die offizielle Aufhebung des Denkmalschutzstatus für sein Gebäude beantragt. Das bedeutet: Das Haus verliert seinen rechtlichen Schutzstatus. Dann darf man bauen, sanieren, umbauen - ohne Genehmigungen, ohne Einsprüche, ohne Architekten, die ständig sagen: „Das geht nicht.“
Doch das hat einen Preis. Wer die Befreiung erhält, verliert alle staatlichen Förderungen. Das sind nicht nur ein paar Hundert Euro. Es sind bis zu 9 Prozent an steuerlichen Vorteilen, die wegfallen - vor allem die sogenannte Sonder-AfA (Sonderabschreibung), die jährlich 9 % des Anschaffungswertes absetzbar macht. Für ein Mehrfamilienhaus mit einem Kaufpreis von 500.000 Euro sind das 45.000 Euro an steuerlich absetzbaren Abschreibungen über zehn Jahre. Das ist kein Kleingeld.
Wann ist eine Denkmalschutzbefreiung überhaupt möglich?
Nicht jeder kann einfach einen Antrag stellen. Die Voraussetzungen sind streng. Die wichtigste ist die „denkmalbedingte Unrentabilität“. Das bedeutet: Das Gebäude bringt so wenig Mieteinnahmen, dass die laufenden Kosten - Reparaturen, Steuern, Versicherungen, Pflege - nicht gedeckt werden können. Und das muss nachgewiesen werden.
Die Behörden verlangen: In mindestens zwei von drei Jahren muss ein finanzieller Verlust entstanden sein. Das ist kein Schätzwert. Du brauchst Buchhaltung, Belege, Steuerbescheide, Mietverträge. Du musst zeigen, dass du nicht einfach faul bist, sondern dass das Haus wirtschaftlich nicht zu halten ist. Die Untere Denkmalschutzbehörde prüft das genau. Und hier kommt das Problem: In einem Landkreis wird dir das leicht zugestanden. In einem Nachbarkreis, nur 20 Kilometer entfernt, wird dir gesagt: „Das ist nicht unrentabel, Sie haben doch noch drei Mieter.“
Warum die Behörden so unterschiedlich entscheiden
Du hast ein Haus in Hildesheim, dein Nachbar hat ein identisches Haus in Peine - beide aus dem 19. Jahrhundert, beide sanierungsbedürftig, beide mit niedriger Miete. Du reichst deinen Antrag ein. Du bekommst eine Absage. Dein Nachbar bekommt die Befreiung. Wie kann das sein?
Weil es keine bundeseinheitlichen Regeln gibt. Jedes Bundesland hat sein eigenes Denkmalschutzgesetz. Und selbst innerhalb eines Landes entscheiden die Kreise und Städte nach eigenem Ermessen. Einige Behörden sind streng, andere eher nachsichtig. Es gibt keine klare Formel, die sagt: „Wenn der Verlust über 15.000 Euro liegt, dann wird genehmigt.“
Daher berichten viele Eigentümer von einer Art „Lotterie“. Wer einen guten Anwalt hat, wer gut dokumentiert, wer mit dem zuständigen Gebietsreferenten ein persönliches Gespräch führt - der hat bessere Chancen. Wer einfach nur das Formular ausfüllt und abschickt, der bekommt oft eine Ablehnung.
Was du brauchst, um den Antrag erfolgreich einzureichen
Ein erfolgreicher Antrag braucht mehr als ein paar Blätter Papier. Hier sind die konkreten Schritte:
- Kontakt zur Unteren Denkmalschutzbehörde aufnehmen. Das ist nicht das Landesamt, sondern dein örtliches Amt - meist im Rathaus oder Kreishaus. Frag nach dem zuständigen Gebietsreferenten für Denkmalschutz.
- Ein Beratungsgespräch vereinbaren. Viele Ämter bieten das an. Nutze es. Bring deine Unterlagen mit: Mietverträge, Rechnungen, Steuerbescheide, Sanierungspläne.
- Wirtschaftliche Unrentabilität nachweisen. Du brauchst mindestens drei Jahre Bilanz. Zeige: Einnahmen < Ausgaben. Und zwar über mehrere Jahre. Keine Schätzwerte. Nur Belege.
- Formular ausfüllen. Die meisten Behörden haben ein Standardformular: „Antrag auf Abweichung/Ausnahme/Befreiung“. Suche es auf der Website deines Landkreises. In Stendal, Göttingen oder Hannover ist es ähnlich aufgebaut.
- Architekt oder Denkmalpfleger hinzuziehen. Ein Gutachten, das zeigt, dass die Sanierung ohne Schutzstatus nicht machbar ist, kann entscheidend sein.
Und vergiss nicht: Du musst alles schriftlich haben. Mündliche Zusagen zählen nicht. Alles, was du sagst, muss auf dem Papier stehen - und unterschrieben sein.
Was du verlierst - und warum das so schwer wiegt
Die Sonder-AfA ist nur der Anfang. Mit der Befreiung verlierst du auch:
- Die Fördermittel der KfW - bis zu 100.000 Euro für energetische Sanierungen
- Die Förderung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz - bis zu 30.000 Euro pro Projekt
- Die Möglichkeit, Steuern über 10 Jahre abzuschreiben
- Den Zugang zu kommunalen Zuschüssen - viele Städte zahlen bis zu 50 % der Sanierungskosten
Doch das ist nicht alles. Du verlierst auch die rechtliche Absicherung. Wenn du ohne Genehmigung eine Fassade veränderst, kannst du mit Bußgeldern rechnen. Aber wenn du die Befreiung hast, kannst du tun, was du willst - ohne Kontrolle. Das klingt verlockend. Doch viele Eigentümer bereuen es später. Denn ohne Förderung ist eine echte Sanierung oft nicht mehr finanzierbar. Das Haus bleibt heruntergewirtschaftet. Der Wert sinkt. Und am Ende ist es nicht mehr verkaufbar - weil niemand ein altes, unsaniertes Haus will.
Alternativen zur Befreiung - die bessere Wahl?
Die meisten Experten raten: Bleib im Denkmalschutz. Es gibt Lösungen.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz nimmt jährlich bis zum 31. August Förderanträge an. Die Entscheidung kommt im Frühjahr des nächsten Jahres. Du hast Zeit. Du hast Unterstützung. Du bekommst Geld - und behältst den Schutz. Das ist für viele Eigentümer der bessere Weg.
Und es gibt auch technische Lösungen. Du kannst moderne Fenster einbauen - wenn sie optisch dem Original entsprechen. Du kannst Wärmedämmung anbringen - wenn sie innen erfolgt. Du kannst einen Fahrstuhl einbauen - wenn er nicht die Treppenhausstruktur zerstört. Es ist aufwendig, aber machbar. Und du behältst die Förderung.
Wann lohnt sich die Befreiung wirklich?
Es gibt nur drei echte Fälle, in denen eine Denkmalschutzbefreiung sinnvoll ist:
- Das Gebäude ist so stark beschädigt, dass es nicht mehr zu retten ist. Ein Brand, ein Einsturz, jahrelanger Verfall - dann ist der Schutz sinnlos.
- Du willst das Grundstück komplett neu bebauen. Wenn du ein neues Haus bauen willst, und das Denkmal steht im Weg - dann ist Befreiung der einzige Weg.
- Du hast einen Nachweis über mindestens drei Jahre Verlust und keine Förderung mehr erhalten. Dann ist der finanzielle Druck so groß, dass du keine andere Wahl hast.
In allen anderen Fällen: Bleib dran. Nutze die Förderung. Arbeite mit der Behörde. Die Sanierung ist mühsam - aber sie ist möglich. Und sie ist wertvoll. Nicht nur für dich. Sondern für die Stadt, für die Geschichte, für die Zukunft.
Was passiert, wenn du scheiterst?
Wenn dein Antrag abgelehnt wird, ist das nicht das Ende. Du kannst Widerspruch einlegen. Und wenn der Widerspruch abgelehnt wird, kannst du vor Gericht ziehen. Das ist teuer - bis zu 10.000 Euro Anwaltskosten. Aber es gibt Fälle, in denen es sich lohnt. Ein Eigentümer in Niedersachsen hat vor dem Verwaltungsgericht gewonnen, weil die Behörde seine Nachweise ignoriert hatte. Die Richter sagten: „Die Unrentabilität war nachgewiesen. Die Ablehnung war rechtswidrig.“
Doch das ist der letzte Schritt. Und er ist riskant. Du brauchst starke Unterlagen. Und du brauchst Geduld. Der Prozess dauert ein bis zwei Jahre.
Was du jetzt tun solltest
Wenn du denkst, eine Denkmalschutzbefreiung könnte dein Weg sein:
- Prüfe deine Finanzen: Hast du drei Jahre Belege für Verluste?
- Kontaktiere deine Untere Denkmalschutzbehörde - frag nach dem zuständigen Referenten.
- Hole dir ein Beratungsgespräch - und bring alles mit.
- Recherchiere: Gibt es Förderprogramme, die du noch nicht genutzt hast?
- Denk daran: Eine Befreiung ist endgültig. Du kannst sie nicht rückgängig machen.
Die meisten, die sich für die Befreiung entscheiden, bereuen es. Die wenigsten, die sich für die Sanierung entscheiden, bereuen es.
Kann ich eine Denkmalschutzbefreiung für ein einzelnes Gebäude beantragen, wenn es Teil eines Denkmalensembles ist?
Nein. Wenn dein Gebäude Teil eines geschützten Ensembles ist - etwa einer Straße mit historischen Fassaden - dann kannst du nur den gesamten Block befreien lassen. Einzelne Gebäude können nicht isoliert befreit werden. Die Behörden prüfen immer den Zusammenhang. Auch wenn dein Haus verfallen ist, bleibt es rechtlich verbunden mit den Nachbarhäusern. Eine Teilbefreiung ist in der Praxis nicht möglich.
Wie lange dauert der Prozess der Denkmalschutzbefreiung?
Der Prozess dauert zwischen sechs und 18 Monate. Die Behörde hat drei Monate Zeit, auf deinen Antrag zu antworten. Wenn du Widerspruch einlegst, kann es noch einmal ein Jahr dauern. Wenn du vor Gericht ziehst, sind zwei Jahre realistisch. Plane langfristig - nicht kurzfristig.
Was passiert mit der Grundsteuer, wenn ich die Befreiung bekomme?
Die Grundsteuer ändert sich nicht automatisch. Du bekommst keine Steuererleichterung durch die Befreiung. Im Gegenteil: Ohne Förderung und ohne Sanierung sinkt der Wert deines Hauses. Und das kann die Grundsteuer sogar erhöhen - weil die Gemeinde den Wert neu berechnet. Die Befreiung bringt keine Steuervorteile - nur mehr Freiheit beim Bauen.
Darf ich nach der Befreiung alles abbauen - auch die historische Treppe?
Ja. Nach erfolgreicher Befreiung hast du volle Baufreiheit. Du kannst Wände einreißen, Treppen entfernen, Fassaden verändern - alles ist erlaubt. Aber: Wenn du später verkaufen willst, wird kein Käufer ein Haus mit zerstörtem historischem Kern kaufen. Du verlierst den Wert. Die Befreiung macht das Haus baufähig - aber nicht wertvoller.
Gibt es eine Frist, bis wann ich die Befreiung beantragen muss?
Nein. Es gibt keine gesetzliche Frist. Du kannst den Antrag jederzeit stellen - auch nach einer Sanierung. Aber: Je länger du wartest, desto teurer wird die Sanierung. Und desto weniger Fördermittel stehen dir zur Verfügung. Die meisten Eigentümer, die erfolgreich sind, reichen den Antrag ein, bevor sie mit der Sanierung beginnen.