Was ist die Tilgungsrate wirklich?
Die Tilgungsrate ist der Teil deiner monatlichen Kreditrate, der direkt deine Schuld reduziert. Sie hat nichts mit den Zinsen zu tun - das ist ein häufiger Irrtum. Wenn du 200.000 € für eine Wohnung finanzierst und eine Tilgungsrate von 3 % vereinbarst, zahlst du im ersten Jahr 6.000 € zurück, die nicht als Zinsen an die Bank fließen, sondern deine Schuld verringern. Klingt einfach? Ist es auch - wenn du weißt, wie du sie richtig setzt.
Heute, im Jahr 2025, ist die durchschnittliche anfängliche Tilgungsrate in Deutschland bei 3,2 %. Das ist ein großer Sprung gegenüber 2015, als sie noch bei 2,1 % lag. Warum? Weil die Zinsen höher sind. Und je höher die Zinsen, desto wichtiger wird es, mehr zurückzuzahlen - sonst bleibst du jahrzehntelang in der Schuldenfalle.
Warum du nicht einfach 1 % Tilgung wählen darfst
Viele denken: „Ich zahle nur 1 % Tilgung, dann bleibt mir mehr Geld für andere Dinge.“ Klingt logisch - bis du die Zahlen siehst.
Bei einem Kredit von 200.000 € mit 4 % Zins und nur 1 % Tilgung brauchst du über 54 Jahre, um die Schuld abzubezahlen. Das ist länger als die meisten Menschen arbeiten. Und nach 10 Jahren Zinsbindung hast du noch fast 90 % der ursprünglichen Summe offen. Was passiert dann? Du musst neu verhandeln - und das bei hohen Zinsen. Dann zahlt du plötzlich viel mehr als geplant.
Die BaFin hat klare Regeln: Tilgungsraten unter 1 % gelten als nicht ausreichend, es sei denn, du hast starke Sondertilgungsmöglichkeiten. Aber wer plant wirklich, jedes Jahr 10.000 € extra zu zahlen? Die meisten können das nicht. Deshalb: 1 % ist kein Plan - es ist eine Einladung zur finanziellen Überraschung.
Wie du die richtige Tilgungsrate berechnest - mit echten Zahlen
Stell dir vor: Du hast 200.000 € Kredit, 3,8 % Zins und möchtest wissen, wie viel du monatlich zahlen musst, wenn du 3 % Tilgung wählst.
- Die jährliche Tilgung: 200.000 € × 3 % = 6.000 €
- Die jährlichen Zinsen: 200.000 € × 3,8 % = 7.600 €
- Die jährliche Gesamtrate: 6.000 € + 7.600 € = 13.600 €
- Die monatliche Rate: 13.600 € ÷ 12 = 1.133,33 €
Diese Rate bleibt über die gesamte Laufzeit gleich - das ist das Prinzip des Annuitätendarlehens, das 95 % aller deutschen Baufinanzierungen ausmacht. Aber hier kommt der Trick: Im ersten Monat sind davon nur 500 € Tilgung (6.000 € ÷ 12) und 633,33 € Zinsen. Im zweiten Monat ist die Schuld schon auf 199.500 € gesunken. Die Zinsen sinken leicht, die Tilgung steigt - die Rate bleibt aber gleich. Du zahlst also im Laufe der Jahre immer mehr zurück und immer weniger Zinsen. Das ist die Magie der Annuität.
Warum du nicht einfach die höchstmögliche Tilgung wählen solltest
Es gibt Leute, die sagen: „Ich zahle 5 % Tilgung, dann bin ich in 15 Jahren schuldenfrei.“ Das klingt stark - aber ist es klug?
Bei 200.000 € und 5 % Tilgung plus 3,8 % Zins kommst du auf eine monatliche Rate von über 1.800 €. Das ist mehr als die Miete in vielen deutschen Städten. Was passiert, wenn du plötzlich eine Reparatur brauchst, dein Partner arbeitslos wird oder dein Kind eine teure Ausbildung macht? Dann stehst du vor der Wahl: Kredit kündigen - oder aufhören zu zahlen. Beides ist teuer.
Die Verbraucherzentrale empfiehlt: Die Gesamtrate (Zins + Tilgung) sollte nicht mehr als 35 % deines verfügbaren Haushaltseinkommens betragen. Wenn du 4.000 € netto verdienst, ist deine maximale Rate 1.400 €. Wenn du 1.800 € brauchst, bist du überlastet - und das weißt du erst, wenn du es nicht mehr ändern kannst.
Die Goldene Mitte: 2-3 % Tilgung ist der Standard für 2025
Was ist die optimale Tilgungsrate? Die Antwort ist einfach: zwischen 2 % und 3 %.
Warum?
- Bei 2 % Tilgung bei 4 % Zins: Laufzeit ca. 25 Jahre
- Bei 3 % Tilgung bei 4 % Zins: Laufzeit ca. 17 Jahre
- Bei 4 % Tilgung: Laufzeit nur 13 Jahre - aber Rate steigt auf über 1.600 €
Bei 3 % Tilgung bist du nach 17 Jahren schuldenfrei - das ist ein realistisches Ziel, das du mit einem stabilen Einkommen schaffst. Und du hast noch Luft für unerwartete Ausgaben. Wer 2 % wählt, hat mehr Flexibilität - aber muss später eventuell nachfinanzieren, wenn die Zinsen steigen.
Die meisten Banken empfehlen heute 2,5-3 % als Standard. Und wenn du ein gutes Einkommen hast, kein Kind, keine großen Nebenkosten - dann kannst du ruhig 3,5 % wählen. Aber nur, wenn du weißt, dass du das auch in 10 Jahren noch schaffst.
Was du sonst noch beachten musst - die versteckten Fallen
Die Tilgungsrate ist nicht der einzige Faktor. Hier sind die drei häufigsten Fehler, die Immobilienkäufer machen:
- Nebenkosten vergessen: Notar, Grunderwerbsteuer, Makler - das kostet oft 10-15 % des Kaufpreises. Wer das nicht einplant, zahlt später aus dem Kredit - und das erhöht die Tilgungslast.
- Sondertilgungen ignorieren: Fast alle Kredite erlauben jährlich 5-10 % Sondertilgung. Wenn du 5.000 € übrig hast, nutze sie. Dann sparst du Zinsen und verkürzt die Laufzeit - ohne deine monatliche Rate zu erhöhen.
- Kein Puffer einkalkulieren: Ein Expertenrat der Verbraucherzentrale: Plane mindestens 0,5 % zusätzliche Tilgung ein, nur für Notfälle. Das gibt dir Spielraum, wenn die Zinsen steigen oder du eine Renovierung brauchst.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein 35-Jähriger in Graz hat 250.000 € Kredit, 3,8 % Zins und wählt 3,5 % Tilgung. Monatliche Rate: 1.250 €. Jedes Jahr zahlt er 5 % Sondertilgung (12.500 €). Ergebnis: Die Laufzeit sinkt von 26 auf 19 Jahre - ohne dass er seine monatliche Belastung erhöht. Das ist intelligente Finanzplanung.
Was du heute tun solltest - 3 konkrete Schritte
Du willst deine Tilgungsrate richtig festlegen? Dann geh so vor:
- Berechne dein verfügbares Einkommen: Nimm dein Nettoeinkommen minus Fixkosten (Miete, Versicherungen, Lebenshaltung). Was bleibt? Maximal 35 % davon darf für deine Kreditrate draufgehen.
- Rechne mit 3 % Tilgung: Nutze einen vertrauenswürdigen Rechner - wie den von Interhyp oder Dr. Klein. Gib Zinssatz, Kreditsumme und Tilgung ein. Schau, wie hoch die Rate ist und wie lange du brauchst.
- Prüfe deine Pufferkapazität: Kannst du 500 € mehr pro Monat zahlen, wenn du es brauchst? Wenn ja, dann wähle 3 % statt 2 %. Wenn nicht, bleib bei 2,5 % und nutze Sondertilgungen.
Und vergiss nicht: Die Tilgungsrate ist nicht statisch. Du kannst sie später anpassen - aber nur, wenn du sie zu Beginn realistisch setzt. Wer zu wenig zahlt, wird später teuer bestraft. Wer zu viel zahlt, riskiert seine finanzielle Freiheit.
Wie sich die Tilgungsrate in Zukunft entwickelt
Die Zinsen werden nicht ewig hoch bleiben. Aber bis 2025 wird sich die durchschnittliche Tilgungsrate weiter auf 3,5-3,8 % erhöhen, sagt die Deutsche Bank Research. Warum? Weil die EZB die Zinsen nicht schnell senken wird. Wer jetzt mit 2 % anfängt, muss später nachzahlen - und das ist riskant.
Die Bundesregierung prüft sogar eine steuerliche Förderung für Tilgungsraten über 3 %. Das könnte bald bedeuten: Wer mehr zurückzahlt, zahlt weniger Steuern. Das ist ein klarer Hinweis: Höhere Tilgung ist erwünscht - aber nur, wenn sie tragbar ist.
Die Kritik von Professor Tyrell ist auch wichtig: Zu hohe Tilgungsraten können den Immobilienmarkt verknappen. Wer 4 % zahlen muss, kann sich kaum noch etwas leisten. Das führt zu weniger Käufen - und das senkt die Preise. Aber das ist ein langfristiger Effekt. Für dich als Einzelner zählt nur: Kannst du deine Rate monatlich zahlen - ohne Angst zu haben?
Wie berechne ich meine Tilgungsrate selbst?
Du multiplizierst deinen Kreditbetrag mit der gewünschten Tilgungsrate (z. B. 3 %) und teilst das Ergebnis durch 12, um den monatlichen Tilgungsanteil zu erhalten. Dann addierst du den monatlichen Zinsanteil (Kreditsumme × Jahreszins ÷ 12). Die Summe ist deine monatliche Rate. Beispiel: 200.000 € Kredit, 3 % Tilgung, 4 % Zins → Tilgung: 500 €, Zins: 666,67 € → Rate: 1.166,67 €.
Ist eine Tilgungsrate von 1 % sinnvoll?
Nein, nicht als Dauerlösung. Eine Tilgungsrate von 1 % führt zu einer Laufzeit von über 50 Jahren bei mittleren Zinsen. Nach der Zinsbindungsfrist hast du noch fast die gesamte Schuld offen und musst neu verhandeln - oft zu viel höheren Konditionen. Die BaFin stuft Tilgungsraten unter 1 % als unzureichend ein, wenn keine Sondertilgungen vorgesehen sind.
Was ist der Unterschied zwischen Annuitätendarlehen und Tilgungsdarlehen?
Beim Annuitätendarlehen bleibt deine monatliche Rate konstant - Zins und Tilgung verändern sich intern. Beim Tilgungsdarlehen bleibt die Tilgung fest, die Zinsen sinken - und damit auch die Rate. Das Tilgungsdarlehen ist teuer am Anfang, wird aber später günstiger. Es wird nur von etwa 3 % der Kreditnehmer gewählt, weil die Anfangsbelastung zu hoch ist.
Wie viel Tilgung ist für Rentner sinnvoll?
Für Menschen über 50 empfehlen Experten eine Tilgungsrate von 1,5-2,5 %. Der Grund: Die Einkommenssituation wird unsicherer. Eine zu hohe Rate kann die Lebensqualität beeinträchtigen. Wichtig ist, dass die Schuld bis zur Rente oder kurz danach abbezahlt ist - nicht danach.
Kann ich die Tilgungsrate später erhöhen?
Ja, fast alle Kredite erlauben das - oft ohne zusätzliche Kosten. Du kannst auch Sondertilgungen nutzen, um die Laufzeit zu verkürzen, ohne die monatliche Rate zu erhöhen. Das ist oft die bessere Strategie als eine hohe Anfangstilgung.
Welche Tilgungsrate ist bei 5 % Zinsen sinnvoll?
Bei 5 % Zinsen solltest du mindestens 3 % Tilgung wählen, besser 3,5 %. Nur so vermeidest du eine extrem lange Laufzeit. Bei 5 % Zins und 2 % Tilgung dauert die Rückzahlung fast 30 Jahre. Mit 3,5 % Tilgung bist du in 15-17 Jahren fertig - und sparst Tausende an Zinsen.
Was jetzt?
Dein nächster Schritt: Öffne deinen letzten Lohnzettel. Rechne aus, wie viel du monatlich für den Kredit ausgeben kannst - ohne dich zu belasten. Dann nutze einen Online-Rechner und probiere 2 %, 2,5 % und 3 % aus. Schau, wie sich die Laufzeit verändert. Und dann entscheide - nicht aus Angst, nicht aus Euphorie, sondern aus Klarheit.
Die beste Tilgungsrate ist nicht die höchste. Sie ist die, die dich nicht in die Enge treibt - und dich trotzdem frei macht.