Warum kommt Schimmel nach dem Fenstertausch?
Neue Fenster sind sauber, dicht und sparen Energie - das ist klar. Aber viele Hausbesitzer merken erst nach ein paar Monaten: Schimmel bildet sich an den Fensterlaibungen. Warum? Weil die alten Fenster zwar undicht waren, aber dafür auch Luft durchgelassen haben. Heutige Fenster sind so dicht, dass kaum noch Luft von selbst rein- oder rauskommt. Ein Vier-Personen-Haushalt gibt täglich 6 bis 12 Liter Wasserdampf ab - durch Kochen, Duschen, sogar Atmen. Wenn diese Feuchtigkeit nicht rauskommt, kondensiert sie an kalten Stellen. Und genau dort, wo die Wand am Fenster anfängt, ist es oft am kältesten.
Bei alten Fenstern war der Luftwechsel zwischen 0,5 und 1,0 Mal pro Stunde. Moderne Fenster reduzieren das auf nur noch 0,1 bis 0,3 Mal. Das ist gut für die Energiebilanz, schlecht für die Luftfeuchtigkeit. Wenn die Raumluft bei 20°C eine Relative Luftfeuchtigkeit von 60% hat, enthält sie 10,2 Gramm Wasserdampf pro Kubikmeter. Kühlt diese Luft an der Fensterlaibung auf unter 12,5°C ab, fällt das Wasser als Kondenswasser aus. Und das ist der perfekte Nährboden für Schimmelpilze.
Wo genau entsteht der Schimmel?
Schimmel zeigt sich fast immer an den gleichen Stellen: an den Fensterlaibungen, besonders in Ecken, hinter Vorhängen oder an der Unterseite des Fensterbretts. Warum dort? Weil die Wand in diesen Bereichen schlecht gedämmt ist. Die neuen Fenster sind gut isoliert, aber die alten Außenwände aus den 70ern oder 80ern nicht. Das führt zu sogenannten Wärmebrücken - Stellen, an denen Wärme schneller entweicht als an der umliegenden Wand. Messungen zeigen: Die Oberflächentemperatur an ungedämmten Laibungen kann bis zu 7°C niedriger sein als die Raumtemperatur. Bei 20°C Raumtemperatur und 80% Luftfeuchtigkeit liegt die kritische Grenze für Schimmelwachstum bei 12,6°C. Wenn die Laibung kälter ist, wächst der Schimmel.
Ein Nutzer auf Hausforum.de beschrieb es so: „Ich habe neue Fenster eingebaut, alles perfekt montiert - aber drei Monate später war die linke Fensterlaibung komplett schwarz.“ Der Handwerker hatte die Anschlussfuge nicht gedämmt. Das ist kein Einzelfall. Studien zeigen: 63% aller Schimmelprobleme nach Fenstertausch treten genau an diesen Stellen auf.
Was Sie nicht tun dürfen
Ein verbreiteter Fehler: Fensterdichtungen absichtlich beschädigen, um „Luft reinzulassen“. Das ist keine Lösung - das ist gefährlich. Die Dichtungen schützen Ihr Haus vor Regen, Wind und Kälte. Wenn Sie sie kaputt machen, kommt Feuchtigkeit von außen rein, die Energieeffizienz sinkt, und Sie riskieren Holzschäden oder Feuchtigkeit im Mauerwerk. Die Deutsche Gesellschaft für Schadenverhütung (VdS) warnt ausdrücklich davor. Auch Prof. Dr. Thomas Hartwig von der Hochschule München sagt klar: „Das behebt nicht die Ursache, sondern verschlechtert nur die Energiebilanz.“
Ein weiterer Irrglaube: „Ich lüfte doch jeden Tag.“ Aber nur kurz die Tür aufmachen oder das Fenster 10 Minuten auf Kipp stellen reicht nicht. Das ist kein richtiges Lüften. Es geht nicht um Zeit, sondern um Luftaustausch. Wenn Sie nicht richtig lüften, bleibt die Feuchtigkeit im Raum - und Schimmel wächst.
Die drei wirkungsvollen Lösungen
1. Stoßlüften - der Mindeststandard
Stoßlüften bedeutet: Fenster komplett aufmachen, mindestens 5-10 Minuten, zweimal täglich - morgens und abends. Am besten querlüften: Tür und Fenster in gegenüberliegenden Räumen öffnen. So wird die Luft in 10 Minuten um bis zu 20% getrocknet. Die Fachhochschule Münster hat das gemessen. Es ist einfach, kostet nichts und wirkt sofort. Aber: Es funktioniert nur, wenn Sie es konsequent machen. Wer es vergisst, hat bald wieder Schimmel.
2. Fensterfalzlüfter - die intelligente Ergänzung
Fensterfalzlüfter sind kleine, unauffällige Lüftungsöffnungen, die in den Fensterfalz eingebaut werden. Sie lassen kontinuierlich 5-10 Kubikmeter Luft pro Stunde einströmen - ohne dass Sie etwas tun müssen. Kein Kippen, kein Lüften vergessen. Die ift Rosenheim hat geprüft: Diese Systeme senken die Luftfeuchtigkeit stabil und verhindern Kondensation an der Laibung. Die Kosten liegen zwischen 25 und 50 Euro pro Fenster. Das ist günstig, besonders wenn Sie sonst teure Sanierungen vermeiden wollen.
3. Kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung - die langfristige Lösung
Wenn Sie eine komplette Sanierung planen oder in einem Mehrfamilienhaus wohnen, ist eine zentrale oder dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung die beste Wahl. Diese Systeme ziehen die verbrauchte Luft ab, entziehen ihr die Wärme und geben die warme, getrocknete Luft wieder in den Raum zurück. Sie erreichen bis zu 90% Wärmerückgewinnung und halten die Luftfeuchtigkeit konstant bei 40-50%. Das ist ideal. Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (AfB) bestätigt: So wird Schimmelbildung fast vollständig verhindert.
Die Kosten für eine solche Anlage in einer 80-m²-Wohnung liegen zwischen 3.500 und 6.000 Euro - inklusive Montage. Aber: Die Bundesregierung fördert bis zu 25% der Kosten (max. 5.000 Euro) über das BAFA. Und die Investition amortisiert sich: Laut Prof. Hartwig sparen Sie durch vermiedene Schimmelbeseitigung innerhalb von 7-10 Jahren mehr als die Anschaffungskosten.
Was tun mit Wärmebrücken?
Wenn die Laibung kalt bleibt, hilft nur eine dauerhafte Dämmung. Architektin Dr. Sabine Kulas vom DIBt hat Feldversuche durchgeführt: 2-4 cm dicke Dämmplatten an der Fensterlaibung erhöhen die Oberflächentemperatur um bis zu 7°C. Das reicht, um Schimmel zu verhindern. Die Deutsche Gesellschaft für Wärmedämm-Systeme (DGfW) empfiehlt mindestens 40 mm Dämmstärke bei Altbauten. Wichtig: Die Dämmung muss nahtlos an die Wand und das Fenster anschließen. Ein falsch montierter Dämmstreifen kann die Wärmebrücke sogar vergrößern. Deshalb sollte das ein Fachmann machen - nicht der Heimwerker.
Was Sie vor dem Fenstertausch tun müssen
Bevor Sie neue Fenster einbauen lassen, sollte ein Lüftungskonzept erstellt werden. Das schreibt die Deutsche Energie-Agentur (dena) seit 2022 vor. Es sollte enthalten: Wie viel Luft muss pro Stunde in jedem Raum ausgetauscht werden? Wie oft und wie lange muss gelüftet werden? Und: Wo müssen Laibungen gedämmt werden? Ohne dieses Konzept läuft alles schief. Viele Handwerker denken nicht daran - weil es nicht verpflichtend ist, wenn es nur ein einzelnes Fenster ist. Aber es sollte sein.
Seit Januar 2023 gilt: Bei Sanierungen mit mehr als 50% Fensteraustausch muss ein Lüftungskonzept nach EnEV vorgelegt werden. Das ist ein großer Schritt. Aber viele Mieter wissen das nicht. Der Deutsche Mieterbund berichtet: 68% der Mieter wurden nach Fenstertausch nicht über das richtige Lüftungsverhalten informiert. Das ist ein Problem - denn Schimmel entsteht nicht durch das Fenster, sondern durch das Verhalten danach.
Kosten: Wie teuer wird’s?
Die Beseitigung von Schimmel kostet im Durchschnitt 1.200 bis 2.500 Euro pro Raum - wenn der Schimmel noch oberflächlich ist. Bei fortgeschrittenem Befall, wo die Wand oder das Holz beschädigt ist, können bis zu 5.000 Euro fällig werden. Die Kosten für eine Lüftungsanlage sind höher, aber sie verhindern die Schadenskosten komplett. Und: Sie senken Ihre Heizkosten. Wer nach dem Fenstertausch nur 10 Euro pro Monat mehr für Lüftung ausgibt, spart später Tausende an Sanierungskosten.
Was bringt die Zukunft?
Die Industrie entwickelt intelligente Lösungen. Seit Juli 2023 gibt es die „SmartVent“-Technologie von Schüco: Sie misst automatisch die Luftfeuchtigkeit und passt den Luftaustausch an - ohne dass Sie etwas tun müssen. Die dena plant bis Ende 2023 eine bundesweite Aufklärungskampagne. Und die VdS hat ihre Richtlinie 2371 aktualisiert: Seit März 2023 ist klar - die Oberflächentemperatur an Fensterlaibungen muss mindestens 15,5°C betragen, um Schimmel auszuschließen.
Langfristig wird es keine Sanierung mehr ohne Lüftungskonzept geben. Wer heute neue Fenster einbaut, muss auch an die Luft denken. Denn ein dichtes Fenster ist kein Problem - aber ein dichtes Haus ohne Luftaustausch ist eine Zeitbombe.