Wenn du dein Haus renovierst, neu baut oder einfach nur eine neue Steckdose einbaust, dann musst du dich früher oder später mit einer Frage beschäftigen, die viele unterschätzen: Wie viel Strom braucht mein Haushalt eigentlich? Eine falsche Antwort kann nicht nur Geräte kaputt machen - sie kann auch ein Brandrisiko darstellen. Die deutsche Norm DIN 18015-2:2021-10 legt klar fest, wie du Stromkreise richtig auslegst. Und das hat nichts mit Bauchgefühl zu tun. Es geht um Zahlen, Abstände und Sicherheit.
Warum du nicht einfach mehr Steckdosen einbaust
Viele denken: Je mehr Steckdosen, desto besser. Aber das ist falsch. Ein Stromkreis ist kein freies Feld, auf das du beliebig viele Geräte steckst. Jeder Stromkreis hat eine maximale Belastung - gemessen in Ampere. Wenn du zu viele Geräte an einen einzigen Kreis hängst, fließt zu viel Strom durch das Kabel. Das Kabel erwärmt sich. Und wenn es zu heiß wird, schmilzt die Isolierung. Das ist der Anfang eines elektrischen Brandes.Laut VDE sind 17,3 % aller elektrischen Brände in Wohnungen auf falsch ausgelegte Stromkreise zurückzuführen. Das ist keine kleine Zahl. Es ist kein Zufall. Es ist Planungsfehler. Und der lässt sich vermeiden.
Die Grundregeln: Wie viele Stromkreise brauchst du?
Die DIN 18015-2:2021-10 sagt klar: Teile deine Wohnung in logische Gruppen auf. Nicht nach Räumen, sondern nach Verbrauchern. Hier ist die Praxis:- 1-3 Zimmer: 2 Beleuchtungsstromkreise
- 3-5 Zimmer: 3 Beleuchtungsstromkreise
- 5+ Zimmer: 4 oder mehr Beleuchtungsstromkreise
Für Steckdosen gilt: Jeder Raum mit hohen Stromverbrauchern braucht seinen eigenen Kreis. Das bedeutet:
- 1 Kreis für Küche (Herd, Kühlschrank, Spülmaschine, Mikrowelle)
- 1 Kreis für Bad, Flur und WC (Haartrockner, Heizung, Waschmaschine)
- 1 Kreis für Wohn- und Esszimmer (TV, Stereo, Ladekabel)
- 1 Kreis für Schlaf- und Kinderzimmer (Lampen, Nachttischgeräte, Spielzeugladegeräte)
Warum nicht Küche und Wohnzimmer auf einen Kreis? Weil du vielleicht gleichzeitig Herd, Mikrowelle und Fernseher benutzt. Das sind schon 4.000 Watt - mehr als die meisten 16-Ampere-Sicherungen aushalten. Ein Auslösen ist dann nicht nur ärgerlich - es ist gefährlich.
Wie berechnest du den Kabelquerschnitt?
Ein 1,5 mm²-Kabel ist nicht für alles geeignet. Ein 10 mm²-Kabel ist übertrieben für eine Nachttischlampe. Die richtige Größe hängt von drei Dingen ab: Länge, Stromstärke und zulässiger Spannungsabfall.Die Formel ist:
U = 2 × L × I × cosφ / (κ × A)
- U = zulässiger Spannungsabfall (max. 3 % von 230 V = 6,9 V)
- L = Leitungslänge in Metern (x2, weil Strom hin- und zurückfließt)
- I = Stromstärke in Ampere (Leistung in Watt geteilt durch 230 V)
- cosφ = Leistungsfaktor (meist 0,9 für Haushaltsgeräte)
- κ = Leitfähigkeit von Kupfer (56 m/Ωmm²)
- A = Querschnitt in mm² (das, was du berechnest)
Praktisches Beispiel: Du willst eine Steckdose im Schlafzimmer installieren, 15 Meter vom Verteilerkasten entfernt. Der Fernseher und das Ladegerät ziehen zusammen 300 Watt. Das sind 300 / 230 = 1,3 A. Mit cosφ = 0,9 ergibt das:
U = 2 × 15 × 1,3 × 0,9 / (56 × A) ≤ 6,9 V
Daraus folgt: A ≥ 0,1 mm². Das reicht für 1,5 mm² - also kein Problem. Aber bei einer Küche mit 3.500 Watt (15,2 A) und 20 Metern Leitungslänge brauchst du mindestens 4 mm². Bei 16 A und mehr: 6 mm² oder 10 mm². Der Verteilerkasten selbst braucht mindestens 10 mm² für 63 A, 16 mm² für 100 A.
Installationszonen: Wo du Kabel legen darfst
Du kannst nicht einfach ein Kabel quer durch die Wand ziehen. Die DIN 18015-2:2021-10 definiert exakt, wo Leitungen verlegt werden dürfen. Das ist kein Vorschlag - das ist Gesetz.- Obere horizontale Zone: 15 cm unter der Decke, max. 30 cm breit
- Untere horizontale Zone: 15 cm über dem Boden, max. 30 cm breit
- Mittlere Zone: Nur in Küche, Büro, Hobbyraum - 100 cm über Boden, max. 30 cm breit
- Vertikale Zonen: 10 cm von Türen, Fenstern oder Ecken entfernt, max. 20 cm breit
Warum das? Weil Bohrer, Nägel und Schrauben oft genau dort landen - wo Leitungen verlaufen. Wenn du dich an diese Zonen hältst, vermeidest du versehentliche Kabeldurchtrennungen. Und das rettet Leben.
Steckdosen richtig positionieren - nicht nach Augenmaß
Steckdosen sind keine Dekoration. Ihre Höhe hat einen Grund.- Herd, Kühlschrank, Spülmaschine: 30 cm über Boden
- Küchenarbeitsflächen: mindestens 5 Steckdosen bei 100-130 cm Höhe
- Arbeitsplatzbeleuchtung: 135 cm Höhe
- Oberschränke: 165 cm Höhe
- Dunstabzugshaube: 210-215 cm Höhe
Warum nicht einfach alle auf 40 cm? Weil du dann einen Toaster an der Wand montierst - und er nicht mehr erreichbar ist. Oder du verlegst ein Kabel unter dem Fußboden - und der Estrichleger bohrt durch. Informiere alle Gewerke vor der Verlegung. Ein falscher Bohrloch macht die ganze Arbeit wertlos.
Was du unbedingt vermeiden musst
Einige Fehler passieren immer wieder - und sie sind lebensgefährlich:- Niemals Steckdosenleisten miteinander verbinden. Das nennt man „Kettensteckdose“. Es überlastet den Stromkreis, ohne dass die Sicherung auslöst.
- Keine Kabel in Dämmung oder Fußbodenheizung verlegen. Die Wärme schädigt die Isolierung. Informiere den Estrichleger vorher.
- Keine Leitungen waagerecht verlegen - nur senkrecht. Das erleichtert die spätere Ortung bei Reparaturen.
- Kein Arbeiten am Strom ohne Spannungsprüfer. Ausschalten reicht nicht. Prüfen. Dann Hinweisschild anbringen. Dann erst arbeiten.
- Grüngelber Schutzleiter immer zuerst anschließen. Das ist die Sicherheitsleitung. Sie rettet dich, wenn ein Gerät defect ist.
Die Zukunft: Was 2025 anders macht
Die Zeiten, in denen du nur Licht, Steckdosen und einen Herd brauchtest, sind vorbei. Heute kommen neue Lasten dazu:- Wallboxen: 63 % der neuen Planungen müssen einen extra Stromkreis für das Elektroauto einplanen. Das sind 11 kW bis 22 kW - mehr als ein ganzer Haushalt vor 10 Jahren.
- Wärmepumpen: Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe zieht bis zu 4 kW. Das ist wie ein großer Heizofen - und braucht einen eigenen Kreis.
- Photovoltaik: Eigenstrom aus der Dachanlage erfordert zusätzliche Schutzschalter und eine neue Zählerkonfiguration.
Die Forschungsverbünde warnen: 78 % der bestehenden Installationen sind nicht für diese Lasten ausgelegt. Wenn du jetzt neu planst, musst du den nächsten 20 Jahren vorausdenken. Sonst musst du in 5 Jahren wieder alles aufreißen.
Was kostet eine professionelle Planung?
Du kannst es selbst machen - aber nur, wenn du die Normen kennst. Die meisten Laien überschätzen ihre Fähigkeiten. Eine professionelle Planung durch einen Elektrofachbetrieb kostet zwischen 120 und 180 Euro pro Stunde. Für eine typische 3-Zimmer-Wohnung braucht ein Elektroplaner 3-5 Stunden. Das sind 400-900 Euro - aber es verhindert teure Nacharbeiten, Versicherungsstreitigkeiten und vor allem: Gefahren.Und es gibt digitale Hilfe: Software wie „Elektroplaner 3D“ von DIAL macht die Planung einfacher. 2022 wurde sie 27 % häufiger verkauft als 2021. Das zeigt: Die Branche erkennt, dass Planung kein Handwerk mehr ist - sie ist eine Wissenschaft.
Was du jetzt tun solltest
Wenn du planst, zu renovieren oder neu zu bauen:- Notiere alle Geräte, die du hast oder kaufen willst - mit Leistung in Watt.
- Teile sie in Gruppen ein: Küche, Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Elektromobilität.
- Bestimme die Länge der Leitungen vom Verteilerkasten zu jedem Punkt.
- Rechne den Kabelquerschnitt aus - oder lass es von einem Profi machen.
- Zeichne die Installationszonen auf - und halte dich daran.
- Plan einen separaten Stromkreis für Wallbox und Wärmepumpe ein - auch wenn du sie jetzt nicht hast.
Stromkreise auszulegen ist kein Hobby. Es ist Verantwortung. Für dich. Für deine Familie. Für dein Zuhause.
Wie viele Steckdosen brauche ich pro Raum?
Es gibt keine feste Zahl, aber Richtlinien: In der Küche mindestens 5 Steckdosen an der Arbeitsfläche, verteilt auf 100-130 cm Höhe. Im Wohnzimmer 3-4 Steckdosen, einschließlich einer für TV und Heimkino. Im Schlafzimmer 2-3, einschließlich einer am Nachttisch. Im Bad mindestens 1, aber besser 2 - für Haartrockner und Rasierer. Wichtig: Nicht alle an einen Kreis hängen. Jeder Raum mit hohem Verbrauch braucht seinen eigenen Stromkreis.
Kann ich alte Kabel einfach weiterverwenden?
Nur, wenn sie den heutigen Anforderungen entsprechen. Alte Kabel mit 1,5 mm² sind für moderne Geräte oft zu dünn. Ein Kühlschrank allein zieht 150-200 Watt. Ein alter 1,5-mm²-Kreis, der früher nur für Licht reichte, ist heute überlastet. Prüfe den Querschnitt am Kabel - er ist meist auf der Isolierung aufgedruckt. Wenn du unsicher bist, ersetze es. Die Kosten für einen neuen Kreis sind geringer als die Risiken.
Was ist ein Kommunikationsverteiler und warum brauche ich ihn?
Laut DIN 18015-2:2021-10 muss jeder Neubau oder große Renovierung einen separaten Verteiler für Internet, Telefon, TV und Smart-Home-Systeme haben. Das ist nicht optional. Es ist Pflicht. Dieser Verteiler verhindert, dass Stromleitungen und Datenleitungen sich stören. Er sorgt für stabile WLAN-Verbindungen und sichere Smart-Home-Steuerung. Ohne ihn ist deine moderne Technik langsam, unzuverlässig - und unsicher.
Warum muss ich den Spannungsabfall berechnen?
Wenn der Spannungsabfall zu hoch ist, funktionieren Geräte nicht richtig. Ein Kühlschrank schaltet sich ab, eine Waschmaschine läuft unregelmäßig, LED-Lampen flackern. Das liegt nicht an der Qualität der Geräte - sondern an zu dünnen Kabeln. Ein Abfall von mehr als 3 % (also über 6,9 V bei 230 V) ist unzulässig. Die Berechnung verhindert, dass du teure Geräte kaputt machst - und dich mit unsicheren Verhältnissen abschlägst.
Wie erkenne ich, ob ein Elektrofachmann seriös ist?
Ein seriöser Elektrofachmann fragt nach deinen Geräten, deinem Haushaltsverhalten und deinen Zukunftsplänen - nicht nur nach der Adresse. Er zeigt dir die DIN 18015-2:2021-10, erklärt die Installationszonen und nennt die Kabelquerschnitte. Er macht einen Plan - nicht nur ein Angebot. Er hat eine Ausbildung als Elektroinstallateur und ist Mitglied im VDE oder einer Handwerkskammer. Wer nur „ich mach’s schnell“ sagt, macht es falsch.